Erzählen von früher im Herrenhaus Krevese
Bei einem Besuch der Klosterkirche „Marienthal“ in Krevese bei Stendal entdeckte ich die Renaissancegrabplatten eines Zweigs der Familie Bismarck und der letzten Nonne des Benediktinerin-
nenklosters von Krevese. Diese bildeten daraufhin auch den Schwerpunkt meines Arbeitens. In Zusammenarbeit mit dem Förderverein der Kirche initiierte ich 2006 ein Projekt, dessen Abschluss die 1050. Jahrfeier des Dorfes und die Ausstellung „Erzählen von früher im Herrenhaus Krevese“ bildeten. Zunächst reinigte ich die Grabplatten aus der Zeit um 1578 fachgerecht. Daraufhin fertigte ich sowohl authentische Abriebe der einzelnen Platten als auch Durchzeichnungen der Umrisslinien auf Folie an. Meine Intention bestand darin, nicht nur den bloßen physischen Zustand der Grabplatten sichtbar zu machen, um sie historisch zu überliefern, sondern anhand der Durchzeichnungen ebenfalls eine freiere farbige Interpretation des Eindrucks, welchen sie auf mich ausübten, vorzunehmen. Das künstlerische Konzept beinhaltete weiterhin, diese Abriebe und Durchzeichnungen in die Vertikale aufzurichten und als Aufsteller im Park des Herrenhauses dem Publikum zu präsentieren. Durch ihre intensive Präsenz konnten sie nun besser sicht- und erfahrbar gemacht, sowie ihre denkmalpflegerische und künstlerische Bedeutung dem Betrachter stärker ins Bewusstsein gerückt werden. So wurde es möglich, jene einzigartigen skulpturalen Schätze der Renaissance sowohl zu bewahren als auch im Spannungsverhältnis zur Parkanlage und der Barocken Herrenhausarchitektur neu zu bewerten. Für mich kommt dem Aspekt des historisch Gewachsenen von Architektur und baugebundener Skulptur eine ganz besondere Bedeutung zu: Der allmählichen Entwicklung dessen, was uns heute als Menschen, als zusammenlebende Gemeinschaft ausmacht. Ohne die Vergangenheit und das Wissen um unser Herkommen – sei es im historischen, sozialpolitischen oder künstlerisch-architektonischen Sinne – scheint eine bewusst erlebte Zukunft nicht möglich.
